Weil ich es mir wert bin – der Selbstwert in der Schematherapie

Der Selbstwert, also der Wert, den sich eine Person selbst zuschreibt, ist ein wichtiger Faktor, wenn es um eine zufriedenstellende Lebensgestaltung geht. Wer sich selbst als wertvollen Menschen sieht, traut sich mehr zu, tritt sicher in sozialen Situationen auf und fühlt sich generell wohler.
Kein Wunder also, dass der Selbstwert auch in Psychotherapien eine wichtige Rolle spielt: Bei so ziemlich jeder psychischen Erkrankung ist ein reduziertes oder gar fehlendes Selbstwerterleben zumindest mitbeteiligt an der Entstehung. Viele Patienten benennen daher zurecht als wichtiges Ziel für die Therapie, sie wollen sich selbstbewusster fühlen, ihren Selbstwert verbessern und sich als wertvoll wahrnehmen. In der Psychotherapie gibt es viele Interventionen, die zu einer Verbesserung des Selbstwertes beitragen. In der Verhaltenstherapie werden vorrangig Veränderungen auf der Gedanken- und Verhaltensebene anvisiert: eine verbesserte Selbstbewertung sowie selbstfürsorgliche Handlungen werden je nach Bedarf durch den Aufbau spezifischer Kompetenzen (z.B. soziale Kompetenzen, Problemlösekompetenzen, Selbstregulationskompetenzen) ergänzt.

Auch die Schematherapie befasst sich intensiv mit der Stärkung des Selbstwerts. Dies war Thema in einer Fortbildung am Institut für Schematherapie in Frankfurt, an der ich, Claudia Jessen, kürzlich teilgenommen habe. Die Schematherapie nimmt an, dass ein reduziertes Selbstwerterleben daraus resultiert, dass wichtige Grundbedürfnisse wie beispielsweise der Wunsch nach verlässlicher Bindung oder Autonomieentwicklung wiederholt in der Kindheit frustriert wurden und sich in der Folge ein brüchiges Selbstwerterleben entwickelt. Kinder beziehen diese Erfahrungen schnell auf sich: „Ich bin nicht liebenswert“ oder „Ich bin wohl nicht gut genug“. Auch im Erwachsenenalter denken sie bei Kritik oder in besonderen Anforderungssituationen schnell, dass sie nichts gut genug hinbekommen, nichts wert sind und dass andere eh schlecht über sie denken. Dies führt dazu, dass diese Personen sich eher zurückziehen, eigene Interessen schlecht verteidigen und privat wie beruflich möglicherweise immer wieder scheitern.

Die Schematherapie empfiehlt nun, den sog. Gesunden Erwachsenen zu stärken. Im Gesunden Erwachsenen sind die Prägungen von früher enthalten, die wir für ein eigenbestimmtes und selbstwirksames Leben brauchen. In einem gesunden Elternhaus lernen wir am Modell der Eltern, wie eine gesunde Selbstfürsorge und Selbstermutigung funktioniert. Unsere Eltern machen es vor, indem sie uns trösten, wenn wir traurig sind, uns ermutigen, wenn wir ängstlich sind usw. Und wir machen es irgendwann nach. Auf diese Weise entsteht der Anteil des Gesunden Erwachsenen in uns. Bei Personen mit reduziertem Selbstwerterleben ist der gesunde Erwachsene jedoch häufig nicht sehr ausgeprägt bzw. durch länger anhaltenden Stress oder belastende Lebensereignisse geschwächt. Mithilfe gezielter Interventionen wollen wir nun genau diesen Teil therapeutisch stärken und aufbauen. Hierzu ist eine Anleitung durch den Therapeuten in einigen Fällen unerlässlich, da der Therapeut als Modell zu Beginn konkret anleitet, wie genau das funktioniert! Denn genau das können viele Patienten (noch) nicht. Hier nimmt der Therapeut die Rolle des Gesunden Erwachsenen ein und der Patient kann die Wirkung direkt erleben in der Rolle des Inneren Kindes.
Im weiteren Verlauf tritt zunehmend der Patient in die Rolle des Gesunden Erwachsenen und lernt diese Kompetenzen selbst einzusetzen. Diese Kompetenzen werden mit gezielten Übungen im Alltag verankert.


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